Den Keimen auf der Spur
Frei von...pathogenen Mikroorganismen
„Die Kosmetik-Verordnung verpflichtet uns, so zu produzieren, dass der Endverbraucher keine Qualitätseinbußen oder gesundheitliche Beeinträchtigungen durch Mikroorganismen im Erzeugnis hat“, erklärt Marlies Peil. „Produkte sollen frei von Pathogenen Mikroorganismen sein, dafür hat der Gesetzgeber Grenzwerte festgelegt.“ Mikroorganismen, das bedeutet konkret Schimmelpilze, Bakterien, Hefen - sie alle können überall lauern: Auf Maschinen, Werkzeugen, Rohstoffen wie Basisansätzen, Puderkörpern, Farbanreicherungen, Arbeitskleidung der Bulkware, den Behältern, in die abgefüllt wird oder den nicht ausreichend desinfizierten Händen der Mitarbeiter, aber auch in der Luft & im Produtkionswasser.Um zu gewährleisten, dass immer alles einwandfrei ist, gibt es einen Probenahmenplan. Er legt fest, wann und wo in regelmäßigen Abständen Hygiene-Tests durchgeführt werden, neben den involvierten Menschen und Maschinen wird auch die Raumluft mit einem Spezial-Sauger, „dem Luftkeimsammler“, auf Verunreinigungen überprüft. „Extra aufpassen müssen wir bei Produkten mit hohem Wassergehalt“, erläutert die Mikrobiologin, die on top als Lebensmittel-Ingenieurin ausgebildet ist. „Im Wasser fühlen sich Keime besonders wohl, deswegen unterliegt dieser Rohstoff penibelsten & regelmäßigen Kontrollen.“ Und nicht nur das Wasser selbst steht ständig auf dem Prüfstand, auch die Reinstwasseranlage, die Pharmaqualität gewährleistet, mit ihren Zapfstellen und Leitungen hat einen festen Platz auf der Check-Liste, wie überhaupt alles, was nass wird. „Es ist wichtig, dass sich keine Pfützen in den Schüsseln bilden und alle Schläuche vorschriftsmäßig aufgehängt werden, damit die Mikroorganismen erst gar keine Lebensgrundlage bekommen“, sagt Marlies Peil und geht dann zur Tagesordnung über: „Heute ist Hygienekontrolle im Produktionsbereich angesagt. Wir streichen mit sterilen Tupfern, die wie riesige Wattestäbchen aussehen und „Dip Slides“ über die Oberflächen von Maschinen, Tischen und Gerätschaften und sichern dann jede einzelne Probe separat im Reagenzglas.“ Daran wird geprüft, ob alles ordnungsgemäß gereinigt und desinfiziert wurde, denn im Anschluss werden eventuell vorhandene Mikroben in glückliche Vermehrungs-Laune versetzt. „Frau Peil tut alles, damit es den Kleinen sehr gut geht“, verrät Dr. Anke Gottfriedsen. „Sie gibt ihnen Nahrung und schafft eine gemütliche Umgebung, damit sich hemmungslos ausgebreitet werden kann.“
Ablaufplan
Dieses maßgeschneiderte Wellness-Programm für Einzeller ist ganz schön aufwändig. Für die Vorbereitungen kommen als erstes Geräte wie Pipetten, Kolben, Schalen zur Sterilisation bei 180 Grad Celsius in den Heißluftofen. Während dieser Prozedur wird das Mikroben-Menü vorbereitet: Nährlösungen, pH-angenehm mit einem Wert zwischen 4 und 8, z. B. eine Lösung auf der Grundlage von Proteinen (sogenanntes gepuffertes Peptonwasser) zur Untersuchung von Rohstoffen, die nicht konserviert sind. Um die Reinheit von konservierten Produkten zu testen, die das ausgelassene Wachstum der Kleinstlebewesen unterbinden, greift die Mikrobiologin zu einem Trick: „Wir setzen eine Inaktivierungs-Lösung mit einem Enthemmer ein, der den Konservierungsstoff außer Gefecht setzt.“ Im nächsten Schritt geht der gehaltvolle Schmaus in den Autoklaven, ein Gerät, das mit Hitze über 100 Grad Celsius und Überdruck sämtliche Verunreinigungen eliminiert und dafür sorgt, dass sich alle Bestandteile zu einer sterilen & homogenen Masse verbinden. Damit die sterilisierten Medien flüssig bleiben, werden ihre Behälter anschließend im 45 Grad Celsius heißen Wasserbad zwischengelagert und nun kommt der Bunsenbrenner ins Spiel: Frau Peil fügt die zu untersuchende Probe in den Mikroben-Schmaus, pipettiert sie in die Petrischalen, stampft sie gut durch und damit in diesem letzten Schritt keine menschlichen Keime die Mischung verunreinigen, arbeitet sie so dicht neben der zischenden Flamme, dass dem Laien schon vom bloßen Zuschauen ganz heiß wird. Einmal umgefüllt kühlt der Nährboden ab, wird fest und ist bereit, die Abstriche der verschiedensten Stichproben aufzunehmen. Die so präparierten Petrischalen wandern dann in kühlschrankgroße Brutschränke und ihr Inhalt bekommt im tropischen Milieu um die 30 Grad Celsius Zeit sich zu entfalten. Er wird bebrütet, wie die Profis sagen. „Nach drei bis fünf Tagen haben wir Ergebnisse. Bakterien zeigen sich relativ schnell, Schimmelpilze und Hefen wachsen etwas langsamer“, so die Erfahrung von Frau Peil.Anhand der Flecken auf den Petrischalen kann die Expertin schon erkennen, welche Familie sie hier herangezüchtet hat. Wer genau sich aber dahinter verbirgt, verrät ihr eine Betrachtung unter dem Mikroskop mit bis zu 80-facher Vergrößerung.
Die sherlocksche Spürnase
Und was passiert, wenn Kryolans oberste Hygiene-Fachfrau in Sachen Mikroorganismen fündig wird? „Je nach Befund und Untersuchungsmethode wird das weitere Vorgehen festgelegt. Wir checken, ob die Desinfektionslösung die richtige Konzentration hat und ansonsten wird bei kontaminierten Tischen, Geräten, Proben gemeckert. Ich rede mit den Mitarbeitern und spreche eine Belehrung aus“, sagt Marlies Peil und schaut etwas strenger durch die modische Brille. „Bulkware, die nicht in Ordnung ist, bleibt in Quarantäne. Wir können genau sagen, welcher Bulk in welcher Ware steckt, sodass wir gezielt aussortieren können. Dabei ist es egal, wie viel Kilos wir herstellen. Für ein Kilo Bulk machen wir die gleichen Tests wie für 100 Kilos. Jedes konfektionierte Produkt verlässt erst das Haus, wenn es geprüft und mit den festgelegten Qualitätsstandards übereinstimmt.“Doch bei aller akribischer Arbeit und der geballten Erfahrung von 34 Berufsjahren: Manchmal kapituliert auch die sherlocksche Spürnase von Marlies Peil. „Wir hatten einmal massive Probleme mit einem belasteten Produkt und haben sehr viel Kraft und Zeit investiert, um die Ursache heraus zu finden“, erinnert sie sich, und ihre Kollegin Dr. Gottfriedsen ergänzt: „Wir haben angenommen, dass es bei der Abfüllung passiert, konnten das aber nicht mehr im Detail nachvollziehen. Als Konsequenz haben wir den Anteil der Parabene als Konservierungsmittel bis zur gesetzlichen Grenze erhöht. Die wirken wie kein anderes gegen alle drei, Hefe, Bakterien und Schimmelpilze. Dazu sind sie im Vergleich mit anderen Konservierern weniger allergieauslösend, und weil es sie schon seit vielen Jahren gibt, hat man äußerst zuverlässige Langzeitstudien.“ Aber wozu braucht man überhaupt Konservierungsmittel, wenn doch die Produkte einwandfrei die Fabrikation in der Berliner Papierstraße verlassen? „Zum einen, weil manche Keime sich von Natur aus erst nach Monaten entwickeln“, so Dr. Gottfriedsen. „Zum anderen sind zwar trockene Produkte wie Puder relativ safe, weil die meisten Mikroben Wasser zum Leben brauchen. Aber wenn Sie mit einer feuchten Quaste darein gehen, liefern Sie ihnen ungewollt die begehrte Nahrung und sie breiten sich aus.“ Das soll und muss auf jeden Fall verhindert werden, schließlich fordert der Gesetzgeber 30 Monate einwandfreie Haltbarkeit von kosmetischen Mitteln nach der Herstellung. „Wenn das nicht gegeben ist, muss man ein Mindesthaltbarkeitsdatum aufbringen. So etwa bei unserer Ultra Underbase, eine hochkomplexe und empfindliche Emulsion.“ Und während Marlies Peil das erläutert, prüft sie, ob alle aktuellen Test-Ergebnisse im Computer dokumentiert sind und sammelt die im System erfassten, verunreinigten Petrischalen in einem Entsorgungsbeutel zusammen. Der wandert dann in den Autoklaven und nach knapp zwei Stunden bei 134 Grad Celsius ist auch der letzte Mikroorganismus lebensunfähig, der plötzlich auftretende beißende Geruch ist das beruhigende Zeichen: Ende der Einzeller-Party – Feierabend für die Hygiene-Kontrolleure. Mit Sicherheit geht es dann reibungslos morgen weiter.