Farbenlehre - Fortgeschrittene
Farbsysteme
Wichtig zu wissen: Es gibt verschiedene Farbsysteme, je nachdem um welche Farbdarstellung es geht. Wir benutzen das RYB-System, auch subtraktives Farbsystem genannt, das auf den Farben Rot, Gelb (Yellow) und Blau beruht.Subtraktive Farbsysteme arbeiten mit der physischen Präsenz von Farbstoffen, die Licht reflektieren, wie Gegenstände und Lebewesen. Man kann diese Farben berühren, wie einen Apfel oder ein Gesicht. Ein Farbstoff wirkt blau, wenn er nur die blauen Lichtanteile reflektiert. Fügt man Rot, Gelb und Blau als Farben zusammen, wird kein Farbanteil mehr reflektiert. Weil man alle Anteile subtrahiert hat, entsteht Schwarz. Das Farbsystem wird von Künstlern die mit Farben und Schminken arbeiten genutzt. Ihr habt vielleicht auch schon von CMYK gehört, was sich aus Cyanblau, Magenta, Gelb und Black [Key] zusammensetzt. Dies ist das Farbsystem für alle Druckmedien.
RGB (Rot, Grün, Blau) schließlich ist das additive Farbsystem, mit dem Beleuchter und Fotografen arbeiten und auf dem die Darstellungen auf Bildschirmen beruht. Hier geht es um Lichtfarben, die man nie anfassen kann. Additive Systeme bauen den Farbeindruck aus Lichtwellen auf, wie bei Lampen, Reflexionen, dem Regenbogen oder der Bilddarstellung durch Licht auf Bildschirmen. Schaltet man bei einem RGB-System alle 3 bunten Lampen an, addieren sie sich zu weiß.
Physische Farben wirken also anders auf das Auge als Lichtfarben. So erklärt sich auch, warum manchmal Make-up und andere greifbare Farben bei der Darstellung durch bildgebende Medien anders wirken als bei direkter Betrachtung.
Farbkreis
Lasst uns loslegen! Wir beziehen uns auf eine der grundlegenden subtraktiven Farblehren, dem Farbkreis von Isaac Newton von 1666.Ganz schön alt, stimmt aber immer noch. Der Farbkreis setzt 12 Farbtöne (auch Schattierungen) untereinander in logische Relation. Wie sich der Kreis aufbaut, erklären wir gleich im Detail. Wenn man dieses Werkzeug lesen kann, versteht man alle Beziehungen der Farben zueinander und ihre Wirksamkeit auf das menschliche Auge in einem Bild zusammengefasst. Grundlegendes Wissen für jeden, der sich mit Make-up befasst.
Farbkombinationen
Beginnen wir mit den
1. Primärfarben, die dem Farbsystem den Namen gegeben haben: Rot, Gelb und Blau lassen sich nicht aus anderen Farben zusammenmischen.
2. Sekundärfarben entstehen, wenn man Primärfarben zu gleichen Teilen zusammenmischt:
Rot und Gelb ergeben Orange
Gelb und Blau ergeben Grün
Blau und Rot ergeben Violett
3. Tertiärfarben ergeben sich, wenn man eine Primärfarbe mit einer benachbarten Sekundärfarbe mischt.
Rot-Orange, Gelb-Orange
Gelb-Grün, Blau-Grün
Blau-Violett und Rot-Violett
Primär-, Sekundär- und Tertiär-Farbtöne ergeben zusammen den Newtonschen Farbkreis.
Bisher haben wir nur von den reinen Farbtönen gesprochen. Zusammengefasst: Der Farbton ist das, was man aus dem Farbkreis herausbekommt und entsteht aus den unterschiedlichen Mischungen der Primärfarben.
Farb-Terminologie
Das Endergebnis des Farbeindrucks (Farbreizes) setzt sich aber aus noch mehr Komponenten zusammen:Die Tönung (Helligkeit) gibt an, wie hell oder dunkel ein Farbton erscheint. Das kennt man auch als Grauwert, aber dazu kommen wir gleich.
Die Sättigung (Farbtiefe) gibt an, wie rein der Farbton ist, wie intensiv oder eher schwach die Färbung wirkt. Tönung und Sättigung wirken aufeinander ein. Das erklären wir auch gleich.
Die Beziehungen zu den Farben untereinander haben für die künstlerische Arbeit, also auch für das Make-up, eine wichtige Bedeutung. Hier die wichtigsten Begriffe:
4. Komplementärfarben stehen sich im Farbkreis direkt gegenüber. Man nennt sie auch Gegenfarben oder Neutralisatorfarben. Wenn man zwei Komplementärfarben mischt, entsteht Grau: die Farben haben sich gegenseitig neutralisiert, also aufgehoben.
5. Analogfarben sind Dreiergruppen von benachbarten Farben.
Das Munsell Farbsystem
So, und jetzt beschäftigen wir uns wie versprochen mit dem Grauwert. Alle Künstler kennen die Bedeutung von Schwarz und Weiß, den sogenannten “Nichtfarben”. Im Farbkreis sieht man die aber nicht – bis jetzt. Lasst uns den Farbkreis im Geiste mal flach hinlegen und eine Achse durch die Mitte stecken. Weiß ist oben und Schwarz unten. Neutrales Grau ist genau in der Mitte. Da, wo sich die Komplementärfarben neutralisiert haben. Und jetzt passt auf einmal alles zusammen: Die Tönung läuft entlang der Achse von Weiß bis Schwarz. Die Sättigung geht von der Mitte des Farbkreises nach außen, von Grau bis zur Volltonfarbe.Farbkreisels kann man nun alle Eigenschaften eines Farbtones bestimmen: jeder nur erdenkliche Farbton hat einen Platz in diesem Kreis. Das nennt man Farbwert. Je weiter oben, desto heller wird er, je weiter nach außen, desto kräftiger. Und jetzt sieht man auch, warum Sättigung und Tönung in Beziehung stehen: Ich kann nicht auf der Außenseite des Kreises einfach senkrecht nach oben gehen – Je heller oder dunkler etwas wird, desto weniger stark ist auch die Farbtiefe. Klar, oder?
Das Dreieck mit dem Orange ist wie eine aus dem Kreis “geschnittene” Scheibe.
Aufgehellte Farben – Hier sieht man eine Aufhellung, oder Abtönung ins Helle. Vom Vollton bis zu Weiß wird der Farbeindruck heller, aber auch schwächer. Der Farbwert verschiebt sich zu Weiß und rutscht automatisch von außen nach innen zur Grauachse
Abgedunkelte Farben - Dasselbe in Richtung schwarz. Das nennt man Abdunkeln oder auch Abtönen ins Dunkle: Der Farbwert verschiebt sich zu Schwarz und rutscht automatisch von außen nach innen zur Grauachse.
Abgetönte Farben – Entsättigen, manchmal auch Farbe brechen, nennt man, wenn die die Farbintensität nicht zu weiß oder Schwarz, sondern quasi “flach” nach innen zur Grauachse (richtiger: zum Grauwert) verschoben wird.
Hautton, Hautunterton & Hautfarbe
Man kann den Farbkreis in zwei Hälften teilen:Warme Farben, beziehungsweise Farbtöne haben lange Lichtfrequenzen, die weit strahlen, weshalb wir sie als energiereich und deswegen wärmer wahrnehmen.
Kalte Farben und Farbtöne wirken mit kurzen Frequenzen weniger energetisch, weshalb wir sie als ruhig, sanft und kühl wahrnehmen.
Nun, was hat das eigentlich alles mit Make-up zu tun? Gute Frage! Fangen wir mal damit an, die Farbwirkung unserer Haut genauer zu betrachten.
Beginnen wir damit, zu schauen, wie Farbe auf und mit der Haut funktioniert.
Der Hautton, auch Hautfarbe oder Teint genannt ist der erste Eindruck von der Hautfarbe eines Menschen, der unser Auge erreicht. Er ist das dominante Farbmerkmal unserer Haut und wird hauptsächlich durch den Anteil von Melanin bestimmt. Melanin ist ein dunkles Pigment, das der Körper bildet, um sich vor Sonneneinstrahlung zu schützen. Wenn Leute in der Sonne braun werden, hat sich Melanin gebildet. Es bestimmt, wie dunkel unsere Haare, Augen und die Haut sind.
Der Hautunterton oder kurz Unterton hat mit Melanin nichts zu tun und verändert sich nicht durch Sonnenbräune, Beleuchtung oder irgendwelche anderen äußeren Faktoren. Hier kommen viele Leute durcheinander, vor allem wenn es um Make-up und Farbbestimmung geht. Den Unterton zu bestimmen, ist auch nicht ganz leicht, aber hier ist eine Methode, mit der es ganz gut klappt: Betrachtet man die Venen auf dem Handgelenk, können sie von violett bis hellgrün variieren.
Wirken die Adern olivgrün oder hellgrün, ist der Hautunterton warm.
Sind sie violett bis bläulich, ist der Unterton kühl.
Changieren die Adern zwischen blau und grün, spricht man von einem neutralen Hautton.
Farbkorrektur
Es gibt einen weit verbreiteten Irrtum, dass helle Hauttöne immer kühle Untertöne hätten und dunkle warme. Das stimmt aber nicht. Man findet auch dunkelhäutige Menschen mit kühlem Unterton und umgekehrt. Wenn eine aufgetragene Foundation grau/aschig oder zu gelblich/warm wirkt, obwohl sie in der Flasche wie ein passender Hautton aussah, ist der Unterton verantwortlich. Stellt also immer sicher, dass Ihr den Hautunterton genauso analysiert wie den Hautton.In unserem Farbkreis findet man alle Hauttöne irgendwo zwischen gelb-orange und rot-orange. Warme Hauttöne siedeln sich mehr im gelb-orange an, kühle gehen in Richtung rot-orange. Dunkle Hauttöne rutschen entlang der Grauachse in Richtung Schwarz, Helle in Richtung Weiß.
Make-up Artist nutzen ganz selbstverständlich Korrekturfarben, um einen ausgeglichenen, gleichmäßigeren Hautton zu erreichen. Augenschatten, Blutergüsse, Pigmentflecken, Vitiligo, Rosacea – alles, was vom Hautton abweicht, kann neutralisiert werden.
Und hier wird‘s wichtig, dass man sich mit Farbenlehre auskennt, vor allem den Komplementärfarben. Wir haben ja schon besprochen, dass sich Komplementärfarben gegenseitig neutralisieren. Wenn man das im Kopf hat, ist Camouflage Make-up viel leichter.
Hier seht Ihr neben dem Farbkreis den Concealer Circle „Neutralizer“. Ihr werdet sehen, dass jede Farbe, die man für Camouflage Make-up braucht, im Concealer Circle enthalten ist. Dazu kommt ein Aufheller (X406), der die Farbintensität der Komplementärfarben ins Helle abtönen kann, damit sie richtig funktionieren. In jedem Einzelfall müssen Hautton und Unterton bestimmt werden, um die richtige Mischung zu finden.
Warum ist das so wichtig? Ich könnte doch einfach meinen Wunsch-Hautton an den Stellen schön dick auftragen, wo eine Farbabweichung mich stört? Kann man, ist aber nicht optimal. Hier erfahrt Ihr, warum:
Die Wirkung des Lichts
Um zu lernen, wie ein richtig gutes Camouflage Make-up gemacht wird, muss man ein bisschen was über den Hautaufbau und das Zusammenspiel von Haut und Licht verstehen. Licht spielt eine ganz entscheidende Rolle, wenn man mit Schminke arbeitet und hat einen dramatischen Effekt darauf, ob man natürlich oder angemalt aussieht.Unabhängig von der Lichtquelle werden nur 4%-7% des sichtbaren Lichtes von der Hautoberfläche gradlinig gerichtet reflektiert. Der Hauptteil durchdringt die erste Hautschicht bis zur darunterliegenden Unterhaut, wo es in alle möglichen Richtungen gestreut wird und sehr diffus, also ungerichtet, von der Haut abstrahlt. Das verleiht unserer Haut ihre natürliche Lebendigkeit und die porzellanige Transparenz.
Oft neigen wir dazu, bei Camouflage Make-up zu Concealern zu greifen, die sehr viel Pigment enthalten und diese dann reichlich zu benutzen. Wenn man die Haut aber einfach dick mit Make-up beschichtet und das auch noch reichlich pudert, kann das Resultat schnell ein vollopakes, also ganz undurchsichtiges Beschichten der Haut werden. Das Licht wird direkt an der Oberfläche vollständig reflektiert. Resultat: Die Haut sieht angemalt und nicht mehr natürlich aus.
Wie kann man das vermeiden? Richtig, indem man die Grundsätze der Farbenlehre anwendet!
Perfektionierung der Camouflage Korrekturtechnik
Bei manchen Korrekturen von Hautverfärbungen, z.B. auch dunklen Tattoos, ist es sinnvoll, mit einer Schicht der Komplementärfarbe zu beginnen, diese zu fixieren und dann darüber mit dem Hautton zu arbeiten. Es ist aber wichtig, auch zu verstehen, dass man nicht immer die Komplementärfarbe in Reinform benutzen muss, um erfolgreich Verfärbungen zu kaschieren. Vor allem, wenn man auf zarter dünner Haut wie unter dem Auge arbeitet, kann kompakt aufgetragenes Make-up schnell Fältchen betonen und angemalt aussehen. Das widerspricht der Absicht von Camouflage. Logisch, dass die Farbschichten so dünn wie möglich sein sollten, um den natürlichen, halb transparenten Hautcharakter erfolgreich zu imitieren. Und hier kommt Euer neues Wissen um die Farbenlehre ins Spiel: Wenn Ihr die Komplementärfarbe mit dem Aufheller und dem ermittelten Hautunterton mischt, habt Ihr in einer Farbe gleich mehrere Schritte der Camouflage erledigt und viel Materialauftrag vermieden!Schauen wir uns nun einige Beispiele von Augenschatten an.
Übung
Das Analysieren von Hautfarben über einen Bildschirm ist zwar nicht gerade besonders genau, aber nehmt Euch übungshalber ein bisschen Zeit. Analysiert jedes der folgenden Abbildungen und überlegt, welche Farben aus dem „Neutralizer“ Concealer Cirle Ihr zu welchen Anteilen mischen würdet, um die Verfärbung des Augenschattens möglichst nahe an den allgemeinen Hautton zu bringen.Analyseergebnisse
Beim ersten Bild erscheint der allgemeinen Hautton ziemlich neutral mit einem kühlen Unterton. Der Augenschatten ist hauptsächlich blau mit Anteilen von Grün.Wir haben das helle Orange (X30) als Hauptbestandteil benutzt, um dem Blau im Augenschatten entgegenzuwirken. Fast gleich groß ist der Anteil des Aufhellers (X406), damit das Ganze dem Hautton schon nahekommt. Ein Hauch rotbraun (X32) wirkt gegen die grünen Farbanteile des Augenschattens. Diese Mischung hellt die dunklen Augenschatten wirksam auf und wirkt gleichzeitig natürlich.
Im zweiten Bild können wir den Hautton als gelblich mit einem warmen Unterton identifizieren. Der Augenschatten ist dunkel und hauptsächlich blau-grün vom Unterton.
Hier wirkt ein großer Anteil Aufheller (X406) gegen die dunkle Verfärbung – mit einer Komplementärfarbe zu arbeiten, könnte hier den Farbton zu stark ins Warme verschieben. Gleiche Anteile vom gelben Neutralisator (X Yellow Neutralizer) und dem hellen Orange (X30) wirken gegen die blauen und grünen Verfärbungen des Augenschattens und bringen den Aufheller in Richtung des Hauttons.
Im dritten Bild können wir sehen, dass der Hautton eher ins rötliche geht, mit pinken Anteilen und einem kühlen Unterton. Der Augenschatten ist violett-bläulich.
Auch hier macht der Aufheller (X406) die Hauptarbeit. Entsprechend dem kühlen Hautunterton bringt eine kleine Menge Rotbraun (X32) den Aufheller in Richtung des Hauttones, mit nur einer winzigen Menge vom hellen Orange (X30) für eine natürlich Haut“wärme“.
So kann Farbenlehre helfen, gegen jede erdenkliche Verfärbung der Haut vorzugehen, mit einem Minimum an verwendetem Material. Schaut Euch Hautton und Unterton an, da wollt Ihr hin. Analysiert die Verfärbung, dagegen arbeitet Ihr mit den jeweiligen Komplementärfarben an. Alle Aspekte sollten sich in der Mischung der Camouflage-Schminke wiederfinden.
Es gibt noch andere Faktoren, wenn man von Farbtheorie spricht. Eine ganz wichtige Sache ist die sogenannte Lichttemperatur.
Farbtemperatur
Genau wie es warme und kalte Farben gibt, sprechen wir auch von warmem oder kaltem Licht. Das hat mit der gefühlten Temperatur nichts zu tun und wird in Kelvin (K) gemessen. In der Abbildung seht Ihr Abstufungen von 6500K → Tageslicht (bewölkt) bis zu 2700K → 60 Watt Glühlampe. Das Originalfoto in der Mitte wurde mit 4200K aufgenommen, einem eher warmen Blitzlicht.
Bei kühlerem, eher bläulichem Licht werden die warmen Anteile im Hautton und Make-up neutralisiert. Klar, die Farbenlehre sagt ja: Komplementärfarben heben sich gegenseitig auf und hier wirkt das Bläuliche des Lichtes gegen das rot-orange. Durch kaltes Licht wirkt alles ein bisschen klinisch (oder schier), ohne die warmen Anteile kann das schnell unsympathisch werden. Viel schmeichelhafter ist sprichwörtlich das Kerzenlicht, dessen warme Lichttemperatur alles attraktiver aussehen lässt.
Deswegen ist es immer eine gute Idee, Make-up in echtem Tageslicht auszuprobieren, wo es geht. Tageslicht ist diffus und klar und zeigt Make-up in seiner echtesten Wirkung. Wo das nicht geht, sollte Schminklicht auf Tageslicht eingestellt sein, also zwischen 5000K und 6500K – so sieht man am genauesten, ob eine Farbanpassung auch wirklich passt und alles sauber verblendet ist. So könnt Ihr den Hautton und auch alle Farbgestaltungen, Schattierungen und Farbintensitäten am besten aufeinander abstimmen und Euer Make-up wird in den meisten anderen Lichtverhältnissen immer noch makellos und wie gewünscht wirken.
Es ist schon eine Menge Wissen, um Farbenlehre ganz zu verstehen. Aber es lohnt sich, denn Farbenlehre zu begreifen ist die Basis für meisterhaftes Make-up. Munter drauf los, es ist noch kein Meister vom Himmel (8000K ;)) gefallen!